Dossier: Traumata von Überlebenden des Holocaust und deren Nachfahren
Soziales Trauma durch kollektive Gewalt und Verfolgung
Der Holocaust zählt zu den extremsten Beispielen kollektiver Gewalt, die ganze Gesellschaften prägt und auf den Einzelnen – unabhängig von seiner individuellen Widerstandskraft – einwirkt.
Krieg, Genozid oder Massengewalt sind politische Ereignisse, die ganze Generationen erschüttern. Die jahrelange Verfolgung und Gewalt führen bei den Überlebenden und ihren Nachkommen oftmals zu starken seelischen Verletzungen, die ein Leben lang nachwirken – ein soziales Trauma ist die Folge.
Retraumatisierung: Traumata vergehen nicht, sie wirken fort
Flucht, Migration, soziale Not, Krieg und der Umgang der Gesellschaft mit der traumatisierenden Vergangenheit sind Faktoren, die das Trauma der Überlebenden weiterhin prägen und zusätzlich belastend auf sie einwirken.
Auch alltägliche Situationen können dazu führen, dass die Erinnerungen so dominant werden, dass sie die Überlebenden immer wieder zum mentalen Durchleben der grausamen Erfahrungen aus dem Holocaust zwingen. Alte Ängste werden dann gegenwärtig, frühere Traumata brechen wieder auf.
Leben nach dem Überleben
Für viele Überlebende war ihre Befreiung eine Rettung vor dem Tod, aber keine Erlösung für das Leben – die Traumatisierungen prägen ihr Leben bis heute. Die ersten Jahrzehnte nach der Befreiung waren für viele von ihnen eine Zeit, in der sie ihr Leben organisieren mussten:
Wohin gehen, wenn die Heimat genommen oder die Familie ermordet wurde? Wie leben, wenn die körperlichen und seelischen Kräfte kaum reichen? Das Erfahrene verdrängen, eine Familie gründen, einem Beruf nachgehen und das Alltagsleben regeln waren oft Prämissen für dieses neue Leben.
Zwischen Aufbruch und Verzweiflung
Wie gebrochen die Identitäten der Überlebenden sind, zeigt der Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Das jahrelange Schweigen vieler Überlebenden ist nicht nur ein Verdrängen gewesen, sondern auch ein bewusstes Verschweigen, vor allem den Kindern gegenüber, um weiterleben zu können. Für viele Überlebende sind eigene Kinder ein starkes Symbol für ihre Weiterexistenz. In anderen Fällen ist nicht das Schweigen, sondern die schonungslose Konfrontation mit dem Grauen Ausdruck der gebrochenen Identität von Überlebenden.
Traumata im Alter
Mit fortschreitendem Alter führen der Verlust von langjährigen Freunden oder Partnern und der Rückzug aus der Arbeitswelt zu Einsamkeit und sozialer Isolation. Auch ein Mangel an ökonomischer Sicherheit bewirkt, dass lange verdrängte traumatische Erfahrungen, wie sie die allermeisten der Überlebenden während des Holocaust machen mussten, mit brutaler Wucht ins Bewusstsein zurückkehren.
Überlebenden leiden oftmals an einer Kombination von posttraumatischen Symptomen und altersbedingter Depression und Isolation. Sie sind überwältigt von Schuldgefühlen, Sorgen, Alpträumen und Ängsten vor imaginären Gefahren und wirklichen Katastrophen.
Innerfamiliäre Herausforderungen
Kinder von Überlebenden verinnerlichen die oftmals unterdrückten Gefühle der Eltern im Prozess der transgenerationalen Übertragung. Sie tragen die Last des Holocaust und der für die Eltern damit verbundenen Trauer in sich: sie versuchen eine Leere zu füllen, welche die ermordeten Verwandten hinterlassen haben, um ihre Eltern über deren vielfältige Verluste hinwegzutrösten. Zugleich neigen Überlebende aufgrund ihrer Erfahrungen oft zu Ver- haltensauffälligkeiten wie extremem Klammer- verhalten, auch auch Bindungsproblemen.
Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.
Unbedingt notwendige Cookies
Unbedingt notwendige Cookies sollten jederzeit aktiviert sein, damit wir deine Einstellungen für die Cookie-Einstellungen speichern können.
Wenn du diesen Cookie deaktivierst, können wir die Einstellungen nicht speichern. Dies bedeutet, dass du jedes Mal, wenn du diese Website besuchst, die Cookies erneut aktivieren oder deaktivieren musst.